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Legasthenie und DaF/DaZ

 

Ich habe die Frage gestellt bekommen, wie man Legasthenie bei Kindern mit Deutsch als Zweitsprache erkennen kann. Ich habe jetzt einige Zeit darüber nachgedacht und recherchiert. Das ist gar nicht so einfach festzustellen.

 

 

 

Im Studium habe ich noch gelernt, dass man bei Kindern mit nicht deutscher Erstsprache keine Legasthenie diagnostizieren kann, weil man nie weiß, ob es Legasthenie ist oder ein Sprachproblem. Verstehe ich, aber was machen dann die vielen Kinder mit Deutsch als Zweitsprache, die ebenfalls Probleme beim Lesen und Schreiben haben. Kann ich die dann nicht testen?

 

 

 

Mittlerweile ist es so, dass ich alle Kinder auf Legasthenie teste, die gut Deutsch sprechen. Wenn ein Kind kaum Deutsch spricht, dann kann ich es auch nicht feststellen, ob es eine sprachliche Schwierigkeit ist oder Legasthenie. Allerdings leben in Wien sehr viele Kinder, die zweisprachig aufwachsen und auch wenn Deutsch „nur“ ihre Zweitsprache ist, sie sprechen sehr gut Deutsch. Daher sehe ich hier kein Problem darin, diese Kinder auf Legasthenie zu testen und wenn sie eine Diagnose bekommen, diese auch zu stellen.

 

 

 

Das ist wieder so eine Ungleichbehandlung von Kindern mit nicht deutscher Muttersprache. Das geht aber nicht! Bei mir werden alle Kinder gleich behandelt, egal welche Sprache(n) sie sprechen. Ok, ich kann ein Kind nur dann wirklich testen, wenn es eine Sprache spricht, die ich auch beherrsche, aber ich teste ja auch Kinder, die gar nicht sprechen – allerdings nicht auf Legasthenie. Das funktioniert auch prima. Man kann sich nämlich auch mit Händen, Füßen und Mimik unterhalten und es gibt sprachfreie Intelligenztests.

 

Ich schweife ab.

 

 

 

Legasthenie ist bei Kindern mit DaZ, die noch nicht so gut Deutsch sprechen, schwer festzustellen, aber Kinder, die schon gut Deutsch können, können auch ohne Probleme einen Legasthenietest absolvieren und wenn nötig eine Diagnose bekommen. Mein größtes Problem, wenn ein Kind nicht gut Deutsch spricht, ist, dass ich nur einen deutschsprachigen Lese- und Rechtschreibtest habe und auch die Normen nur für deutschsprachige Kinder gelten. Daher wäre es unseriös, die Kinder mit für die unpassenden Normen zu vergleichen.

 

 

 

Allerdings müssen Kinder ohne Diagnose nicht hilflos untergehen. Auch sie bekommen eine passende individuelle Förderung bei mir. Zur Förderung der Kinder mit DaZ und einem Verdacht auf Legasthenie können ähnliche bzw. die gleichen Fördermaßnahmen ergriffen werden, die auch Kinder mit Erstsprache erhalten. Die Kinder sollen jeden Tag 5-10 Minuten lesen und schreiben üben. Die Wiederholung und die Regelmäßigkeit sind hier wichtig. Außerdem sollten Legastheniker:innen zuerst die häufigen Wörter lernen und erst nach und nach Ausnahmen oder seltene Wörter erarbeiten. Beginnt zuerst mit der Groß- und Kleinschreibung. In dem Bereich können Kinder schnell Fortschritte machen und werden dadurch motiviert. Auch ihr Selbstbewusstsein wird wieder verbessert, wenn sie bemerken, dass sie ja doch viel richtig schreiben können.

 

 

 

Kinder mit DaF/DaZ können also jederzeit eine gute Förderung erhalten, aber es sollte der Fokus eher auf die Sprache und den Wortschatz gelegt werden, damit die Kinder sich sprachlich verbessern können und dann nach und nach auch ihre Rechtschreibung verbessern. Es bringt den Kindern nichts, wenn sie Wörter schreiben können, die sie noch gar nicht verstehen. Auch die Grammatik ist wichtig, damit sie später gute Aufsätze schreiben können.

 

Bei Kindern mit DaF/DaZ und Lernproblemen konzentriere ich mit zuerst auf die Verbesserung der Sprache und dann auf die Rechtschreibung. Das Lesen kann parallel geübt werden, denn durchs Lesen erweitert sich der Wortschatz und das führt ebenso zu einem besseren Sprachverständnis.

 

 

 

 

 

Ich habe lange im Kindergarten als Sprachförderin gearbeitet. Dort ging es „nur“ um das Lernen der deutschen Sprache und noch nicht ums Schreiben und Lesen, aber im Kindergarten wird der Grundstein für alle späteren Fertigkeiten gelegt, denn nur wenn ein Kind ein gutes Fundament hat, kann es darauf aufbauen und dazulernen. Bei einem Haus wird auch zuerst die Bodenplatte betoniert und erst dann werden die Wände und die weiteren Stockwerke draufgebaut, denn sonst stürzt es vielleicht ein. So ist es auch beim Lernen. Die Basis muss stimmen, damit das Kind darauf aufbauen und viel mehr lernen kann. Wenn es die Sprache noch nicht beherrscht, wird auch die Rechtschreibung schwierig zu erlernen sein, aber je mehr Wörter ein Kind kann, desto mehr Wörter kann es auch schreiben lernen.

 

 

 

 

 

Bis bald!

 

Lg, Birgit

 

 

 

 

 

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