Stärken stärken

 

Ich war letztens im Wald und habe einen eigenartigen Baum gesehen. Du siehst ihn am Blogbild.

 

Der Baum hat nur auf einer Seite Äste, auf der anderen Seite gibt es kaum mehr Äste.

 

Dieser Baum hat mich an das Schulsystem erinnert. In der Schule werden meist nur die Schwächen der Kinder gesucht und auch gefunden, denn jeder macht mal einen Fehler – oder auch mehrere. Die Kinder werden darauf geprägt, nur ja keine Fehler zu machen, denn Fehler sind böse. So ist es aber gar nicht. Wenn wir einen Fehler machen, dann können wir daraus etwas für das nächste Mal lernen. Wenn ein Fehler aber als ganz schlimm konnoniert ist, dann kann man daraus nicht viel lernen, denn dann entsteht Scham, dass der Fehler überhaupt passiert ist. Das führt dazu, dass die Situation möglichst verdrängt wird und wir nichts daraus lernen. Wenn wir aber wissen, dass wir aus Fehlern lernen können, dann können wir unsere Fehler analysieren und uns überlegen, wie wir es das nächste Mal anders machen können. Das Leben besteht aus Versuch und Irrtum, das ist menschlich.

 

Nachdem wir das jetzt mal geklärt haben, überlege dir einmal, wie in deiner Schulzeit mit Fehlern umgegangen wurde bzw. wie geht dein Kind mit Fehlern um? Was lernt es in der Schule über Fehler?

 

Kinder, die viele Fehler machen und Lernprobleme entwickeln, bekommen eine Förderung, wenn sie sehr viel Glück haben, aber meist sind die Eltern dafür verantwortlich, dass das Kind Nachhilfe oder Legasthenietraining oder so erhält. Ich weiß, dass Lehrkräfte sehr viel zu tun haben (ich habe einige in meinem Freundeskreis und bekomme da einiges mit), aber trotzdem sollten die Bedürfnisse und Probleme von Kindern mit Legasthenie, Dyskalkulie, ADHS, Autismus, … auch in der Schule ernst genommen werden. Viele Lehrkräfte machen das mittlerweile, aber es gibt leider auch noch immer Lehrkräfte, die behaupten, sie haben noch nie von Legasthenie oder Dyskalkulie gehört und wissen daher nicht, wie sie die Kinder unterstützen können.

 

Ein Kind mit Dyskalkulie wird meist mit der Zeit verzweifelt, es zweifelt an sich selbst und denkt irgendwann, dass es dumm ist und das sowieso nie schaffen wird. Dieses Kind wird sich in den anderen Fächern mehr anstrengen und in diesen auch gut werden, aber die mathematischen Fähigkeiten werden nicht weiter wachsen – so wie beim Baum am Foto. Das Kind wächst dann nur mehr in eine Richtung. Das müssen wir vermeiden! Deshalb ist es wichtig, dass Kinder mit Lernproblemen früh erkannt werden und dass Eltern und Lehrkräfte darauf achten und auch handeln, wenn ihnen Probleme auffallen. Es macht keinen Sinn noch ein Jahr zu warten, denn wenn ein Kind Legasthenie oder Dyskalkulie hat, dann braucht es so früh wie möglich Unterstützung. Im Legasthenietraining oder Dyskalkulietraining lernt das Kind andere, auf das jeweilige Kind zugeschnittene Lernmethoden, mit denen es sich weiterentwickeln kann. Wenn ein Kind früh eine Förderung erhält, dann wird der Abstand zu den anderen Kindern gar nicht so groß werden. Wenn ein Kind aber erst mit 10 oder noch später ein Lerntraining erhält, dann haben sich schon große Lücken gebildet und die werden immer schwieriger aufzuholen.

 

Daher ist mein Appell an alle Lehrkräfte und Eltern: Bitte schickt die Kinder zur Austestung, wenn ihr das Gefühl habt, es könnte sich um eine Lernstörung handeln. Eine Austestung ist nicht schlimm, bei mir ist sie spielerisch aufgebaut und fast alle Kinder möchten danach wieder kommen. Seht es als Chance für die Kinder. Jedes Kind, das sich nicht mit Rechtschreib- oder Rechenproblemen herumschlagen muss, ist ein glücklicheres Kind! 😊

 

Kinder mit Diagnose bekommen dann auch in den meisten Bundesländern eine andere Benotung oder eine Förderung in der Schule. Das hilft schon ein bisschen.

 

 

Ich setze mich dafür ein, dass Lehrkräfte sich besser mit Legasthenie und Dyskalkulie auskennen. Ich habe schon einige beraten und ihnen Tipps für den Umgang mit ihren Schüler:innen gegeben.

 

Wenn du Lehrkraft bist und Tipps zur Förderung deiner Kinder mit Legasthenie oder Dyskalkulie möchtest, melde dich gerne bei mir: lesenundschreiben@gmx.at oder auf Instagram @birgitschmidtgrabmer

 

 

Weiters finde ich es ganz wichtig, nicht nur auf die Fehler zu achten, sondern bei jedem Kind darauf zu schauen, was es besonders gut kann. In diesem Bereich sollte das Kind gefördert werden. Das kann überall sein: Sport, Musik, Kreatives, Sprachen, Technik, Theater spielen, … Jedes Kind sollte seine Stärken kennen und wissen, dass es etwas ganz besonders gut kann. Aus diesen Stärken können Kinder dann ihr Selbstbewusstsein ziehen, wenn es in einem anderen Bereich Probleme gibt. Das Kind weiß, dass es etwas wirklich gut kann und das kann Misserfolgserlebnisse wieder ausgleichen. Ich rate Eltern immer, dass sie ihr Kind auch in den Bereichen fördern sollen, die es gut kann. Dann kann sich daraus viel entwickeln.

 

Wie finden wir die Stärken meines Kindes? Ich stelle dir hier 4 Methoden vor.

 

  • Stärkenplakat: Schreibt alle Dinge, die dein Kind gut kann, auf ein Plakat und klebt es auf die Tür oder auf den Kasten, sodass es dein Kinn oft sieht. Wenn euch in den nächsten Tagen noch andere Dinge einfallen, die dein Kind gut kann, dann ergänzt das Plakat. So habt ihr bald eine große Sammlung an Stärken. Ihr könnt auch Großeltern, Freund:innen, Nachbarn und Bekannte fragen, was sie denken, dass dein Kind gut kann.
  • Namens-Stärken: Schreibe deinen Vornamen von oben nach unten auf. Jeder Buchstabe steht in einer Zeile. Dann suchst du zu jedem Buchstaben deines Namens eine Stärke oder eine positive Eigenschaft, die zu dir passt. Das gleiche macht dein Kind. So habt ihr auch viele Stärken auf einem Blatt gesammelt.
  • Was schätzen andere an mir?: Dein Kind fragt mindestens fünf Personen in seinem Umfeld, was sie an ihm mögen. Warum sind sie mit dir befreundet? Warum unternehmen sie gerne etwas mit dir? Was gefällt ihnen am besten an dir? So erfährt es, was andere über dein Kind denken und es wird bemerken, dass andere Eigenschaften an ihm schätzen, die ihm gar nicht bewusst sind oder die für dein Kind selbstverständlich sind. Auch das sind Stärken.
  • Das habe ich schon geschafft: Überlegt euch, was dein Kind schon geschafft hat. Welche Schwierigkeiten sind dabei aufgetreten? Welche Eigenschaften oder Kenntnisse brauchte es dafür? Wie hat es sein Ziel erreicht? Auch so kann dein Kind seine Stärken kennen lernen.

 

Gerade Kinder mit Legasthenie oder Dyskalkulie machen in der Schule viele negative Erfahrungen. Dann hilft es ihnen, wenn sie am Nachmittag ihrem Hobby nachgehen können und dort richtig gut sind und Erfolgserlebnisse genießen können. Was kann dein Kind richtig gut?

 

Denn wenn Kinder ganzheitlich gefördert werden, dann können sie sich gut entwickeln und ihre Äste sprießen in alle Richtungen. Das ist mein Ziel! 😊 Und was ist deines?

 

Lg, Birgit

 

 

 

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